Das sagt der/die Veranstalter:in:

“Die Deutschen lieben exotische Dinge wie Maharadschas und tanzende Sklavinnen, den indischen Seiltrick und Magie.” Thea von Harbou (1888–1954), deutsche Drehbuchautorin und Schriftstellerin Sajan Mani hat der Geschichte der drei Filmfassungen von “Das Indische Grabmal” (1921, 1938 und 1959) und des zugehörigen zweiten Teils “Der Tiger von Eschnapur” (1921, 1938 und 1959) nachgespürt und dabei das Indisch-Sein als ambivalentes Tier wiederentdeckt. Damit antwortet er auf die Frage “Bist du wirklich ein Inder? Die Inder, die ich im Fernsehen gesehen habe, hatten aber hellere Haut.” Ein dressierter, in der Fantasie des Weißen Mannes gefangener Tiger ist der einzige tatsächliche Inder der Filme. Vergesst die weißen Schauspieler, die mit ihren schwarz angemalten Gesichtern Inder, Maharadschas und Maharanis darstellen! Der einzige Schauspieler ist der Tiger. Und die einzige Handlung der Filme ist die Tötung des Tigers. Dämonisierte Tiere zu töten, um die unbedeutenden “Subjekt” des kolonisierten Asiens zu retten, war ein wiederkehrendes Motiv vieler europäischer Erzählungen. Die Entindividualisierung der Menschen stellte den ersten Schritt zu ihrer Versklavung dar, indes die Stilisierung der Tiere zur Bedrohung ein gewitzter Schachzug war, um dieselben Menschen zu bevormunden. Als Signal der eigenen Glaubwürdigkeit haben die kolonialen Eroberer den Orient als exotisch, doch verarmt, als erotisch aufgeladen, doch impotent gezeichnet. Und die visuelle Kultur hat eigentümlicherweise trotz ihres vorgeblichen Wahrheitsgehalts das Vorhaben gestützt. Mithin wurde der Tiger im orientalistischen Blick zur zoomorphen Inkarnation von Gefahr und Zerstörung, wofür die Filme das beste Beispiel sind. Die einheimische Bevölkerung Indiens dagegen ehrt den Tiger, sodass das verzerrte Bild des Tieres einer Revision bedarf – nicht wegen irgendwelcher gegenseitigen Schuldzuweisungen, sondern um das Bild eines Tieres zu retten, das von kolonialer Verzerrung und nationalistischem/postkolonialem Symbolismus verschüttet wurde. Wie in vielen vorherigen Werken Sajan Manis erweist sich hier die Zooese als Schnittpunkt von Tier und Mensch als Ebene der Metapolitik. Text von Antony George Koothanady Sajan Mani, geboren 1982, Keralam, Südindien Sajan Mani ist ein genreübergreifend arbeitender Künstler aus einer Familie von Kautschukzapfern in einem abgelegenen Dorf im Norden des südindischen Keralam. In seiner Arbeit verleiht er den Problemen der Marginalisierten und Unterdrückten Indiens eine Stimme und setzt dafür seinen “Schwarzen Dalit-Körper” ein. Im Mittelpunkt seiner Performance-Praxis rund um Schmerz, Scham, Angst und Macht steht die körperliche Präsenz. Sein persönliches Rendezvous mit seinem Körper als Schnittpunkt von Geschichte und Gegenwart weitet sich zum Verständnis des “Körpers“ als soziopolitischer Metapher. Sajan nutzt in mehreren seiner Performances das Element des Wassers, um in Keralam virulente Umweltprobleme, aber auch das übergreifende Thema der Migration aufzugreifen. In seinen jüngsten Werken beschäftigt er sich mit den Entsprechungen zwischen Tieren und Menschen, und der Politik des Raumes aus der Perspektive einer indigenen Kosmologie. Das mit Unterstützung des Asia Art Archive entstandene Stück “Unlearning Lessons from my Father“ (2018) erkundet die Biografie des Künstlers in Hinblick auf koloniale Geschichte, Botanik und materielle Beziehungen. Zu den zahlreichen internationalen Biennalen, Festivals und Ausstellungen, an denen Sajan teilgenommen hat, gehören: CODA Oslo International Dance Festival, Norwegen (2019), Ord & Bild, Schweden (2019), India Art Fair (2019), “Specters of Communism” im Haus der Kunst, München (2017), Dhaka Art Summit, Bangladesch (2016), Kampala Art Biennale, Uganda (2016), Kolkata International Performance Arts Festival (2014/2015/2016) und die Vancouver Biennale, Kanada (2014). Er hat diverse Stipendien erhalten, darunter für den Zeitraum von 2019 bis 2021 ein Förderstipendium des Braunschweig Projects-Programms und ein Stipendium der Akademie Schloss Solitude.

Location

HAU2 Hallesches Ufer 32, 10963 Berlin 10963 Berlin

Location | Theater

HAU - Hebbel am Ufer
HAU - Hebbel am Ufer Stresemannstr. 29 10963 Berlin

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